梅飞虎: Grüne Allianz

发布时间:2017-07-28浏览次数:82


Maximilian Mayerarbeitet als Wissenschaftler am Deutschland-Forschungszentrum der Tongji-Universität in Shanghai

ChinaDeutschland braucht die Volksrepublik als Partner der Energiewende, um die eigenen Klimaziele zu erreichen


In der Handels- und Klimapolitik haben China und die EU derzeit mehr Gemeinsamkeiten als die EU und die USA. Diesen Eindruck haben sowohl das Seidenstraßen-Projekt, mit dem sich die Chinesen sich als Refugium für Investoren empfehlen, als auch die Besuche von Premier Li Keqiang in Berlin wie Brüssel hinterlassen. Bezogen auf den Umweltschutz heißt das: Für die Dekarbonisierung Deutschlands, also die Verringerung der Kohlenstoff-Emissionen, ist China unverzichtbar. Da die Regierung in Peking inzwischen ambitionierter plant als die deutsche, wäre mit einer enormen wirtschaftlichen Dividende zu rechnen. Vorausgesetzt, die deutsche und chinesische Energiewende werden koordiniert. Leider findet diese Option in Berlin kaum Beachtung, so dass „eine Außenpolitik der Energiewende“ entfällt. Der aktuelle Klimaplan des Umweltministeriums bleibt konzeptionell auf den deutschen Sandkasten beschränkt, ihm fehlt die organische Verknüpfung mit globalen ökonomischen und technologischen Trends.

Sich China zu öffnen, heißt zunächst einmal, einem Konkurrenten näherzutreten. Bei Energietechnologien können deutsche Anbieter im harten Wettbewerb mit chinesischen Firmen auf Drittmärkten empfindliche Verluste erleiden. Eine der Ursachen für den Niedergang der deutschen Solarbranche besteht in massiven Staatssubventionen, die chinesische Solarfirmen während der Weltfinanzkrise 2008/09 vor der Insolvenz bewahrten. Auch im Bereich der E-Mobilität verfolgt Chinas Führung klar nationale Interessen. Marktbarrieren und Fördermittel stehen im Dienste industriepolitischer Ziele. Daraus aber zu schlussfolgern, die energiepolitische Verzahnung lohne sich nicht, ist falsch. Deutschland sollte als Hochtechnologieland der chinesischen Seite selbstbewusst die nächsten Schritte hin zu einer substanziellen Kopplung der Energiewende vorschlagen, zumal die deutsche Energiewende für viele Chinesen eine Leitbildfunktion hat.

Um Synergien zu nutzen, wäre eine Road Map 2050 als mittelfristiger Rahmenplan sinnvoll. Wenn Peking plant, bis 2020 rund 360 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien zu investieren, werden neue Konvergenzen entstehen. Bei der Batterietechnologie zum Beispiel oder durch Beziehungen mit den Provinzen Shanxi und Henan, die daraus lernen wollen, wie traditionelle deutsche Kohlereviere umstrukturiert worden sind. Darüber hinaus sollten China und Deutschland einen gemeinsamen Innovationsfonds – „Energy Horizon 2100“ – auflegen, der radikale energietechnologische Neuerungen fördert sowie die Material- und Design-Forschung für die nächsten 100 Jahre finanziert. In diesem Kontext ließen sich auch Zukunftsbilder für eine postfossile Zivilgesellschaft entwerfen, bezogen auf urbane Mobilität, die De- und Rezentralisierung von Strommärkten, die Solar- und Windbranche sowie Smart-City-Trends in beiden Ländern. Die Abschaffung von Handelsbarrieren für relevante Energietechnologien ist hierfür ebenso wichtig wie der faire Einsatz von Subventionsmodellen. Es kann nicht sein, dass deutsche Steuerzahler den Aufbau der chinesischen Solarbranche mitfinanzieren, aber chinesische Subventionen nicht für deutsche E-Autos zur Verfügung stehen.

Leitmarkt der Hybride

Die deutsche Politik muss ernsthaft beginnen, die Energiewende global zu denken. Welche Folgen Überheblichkeit hat, zeigt sich beim deutschen Automobilbau, der unter der plötzlichen Verbreitung von Elektromobilität in China leidet. Durch eine Mischung von Anreizen (Zulassung, Parkplätze, Fahrgenehmigungen) und massiven Subventionen beim Kauf (von umgerechnet bis zu 12.000 Euro pro Auto) ist China mit mehr als einer halben Million verkaufter Hybrid- und Elektroautos im Vorjahr zum Leitmarkt geworden. Eine neue Regelung sieht zudem vor, dass ab 2018 mindestens acht Prozent aller Neuzulassungen einer Marke Elektroautos sein müssen. Derartige Maßnahmen hätten natürlich der Abstimmung mit deutschen Herstellern bedurft, die nun damit zu kämpfen haben, kurzfristig keine preisgünstigen Modelle in China anbieten zu können.

Woraus sich ersehen lässt, dass China allein schon wegen derartiger Abhängigkeiten der weitaus wichtigste Energiewende-Partner für Deutschland ist. Drei Dinge werden im Geburtsland der Energiewende allzu leicht vergessen. Zunächst einmal ist die Dekarbonisierungsrevolution ein Mehrgenerationenprojekt, das gerade erst begonnen hat. Zweitens werden innovative technologische Lösungen und bahnbrechende Grundlagenforschung vermehrt aus China kommen, was zu neuen Möglichkeiten der Energieversorgung führt – man denke an ein transkontinentales Hochspannungsstromnetz . Schließlich verfolgt US-Präsident Trump, wie der Ausstieg aus dem Pariser Klimavertrag zeigt, eine rückwärtsgewandte Energie- und Klimapolitik. Damit werden Weichenstellungen in China umso relevanter. Die Bundesregierung sollte daher den bisherigen projektbasierten Ansatz durch systematische Koordination ersetzen.

Deutsche Pläne für die Energiewende müssen nicht nur in Betracht ziehen, welche Innovationen andernorts stattfinden. Die Trends in der Technologiepolitik Chinas, der USA, Indiens und Japans sind momentan wichtiger als deutsche Richtwerte. Rückwirkungen wie potenzielle Synergien sollten untersucht werden, um Entscheidungen in Deutschland über die Geschwindigkeit der Energiewende zu unterstützen. Da diese zwangsläufig internationalisiert wird, sollten Energiewende-Allianzen eingegangen werden: mit China, ebenso mit Indien, Japan und Südkorea.

Deutschland kann Vorreiter bleiben, wenn es nicht länger als isolierter Einzelkämpfer agiert. Ein unvoreingenommener Blick auf die Dynamik der chinesischen Energiewende würde der energiepolitischen Debatte in Deutschland Provinzialität nehmen. Die Kernfrage lautet: Wie können Deutschland und China gemeinsam die globale Energiewende vorantreiben?